Vorstösse der SP Uster im Gemeinderat

15. April 2020

Sans-Papiers schützen – während und nach der Krise

Anfrage von Florin Schütz

Laut einem aktuellen Bericht im Auftrag des Migrationsamts des Kantons Zürich und des Amts für Wirtschaft und Arbeit leben momentan rund 19'000 Sans-Papiers im Kanton Zürich. Es ist davon auszugehen, dass längst nicht alle davon in der Stadt Zürich ansässig sind, sondern auch in umliegenden Städten und Gemeinden wie Uster.

Sans-Papiers leben unter schwierigen Umständen: Viele von ihnen arbeiten unter prekären Bedingungen und zu Tiefstlöhnen. Das Leben in der «Illegalität» macht sie anfällig für Ausbeutung, psychische Erkrankungen und Existenzängste. Der Zugang zu medizinischer Versorgung ist stark eingeschränkt, viele der Sans-Papiers sind nicht krankenversichert, der Gang zur Ärzt*in ist immer mit der Angst verbunden «entdeckt» zu werden.

Die Probleme, mit welchen Sans-Papiers zu kämpfen haben, sind keine Neuigkeit, durch die Corona-Krise erhalten sie aber eine neue Dimension. Viele von ihnen arbeiten in Bereichen, die von der Krise besonders betroffen sind und haben keinen Arbeits- und Mietvertrag, sprich sie können sich nicht wehren, wenn sie auf die Strasse gestellt werden. Diesen Menschen droht von einem Tag auf den anderen die Existenzgrundlage entzogen zu werden. Anspruch auf Sozialhilfe haben sie nicht, sie fallen durch die Maschen jeglicher Unterstützungsangebote.

Die Sans-Papiers sind dringend auf Hilfe angewiesen, sie dürfen insbesondere in der aktuellen Krise, aber auch im Nachhinein, nicht alleingelassen werden. Die Stadt Zürich hat die Notlage bereits erkannt und hat finanzielle Mittel gesprochen, um Sans-Papiers, die ihren Lebensmittelpunkt in Zürich haben, finanzielle Nothilfe zur Verfügung zu stellen. Ebenso hat die Stadt den Zugang zu medizinischer Versorgung sichergestellt. Die Unterstützung wird über die Anlaufstelle für Sans-Papiers (SPAZ) vermittelt.

Die Stadt Uster muss es Zürich gleichtun und umgehend Massnahmen einleiten, um Sans-Papiers in dieser Notsituation zu unterstützen. Der Dringlichkeit dieser Anfrage ist dementsprechend auch bei deren Behandlung Rechnung zu tragen.

Ich stelle dem Stadtrat folgende Fragen:

  1. Ist der Zugang zu einer ausreichenden Gesundheitsversorgung für Sans-Papiers in Uster gewährleistet?
  2. Wie stellt sich der Stadtrat dazu, finanzielle Mittel (z. B. in Koordination mit der SPAZ) für eine Nothilfe für Sans-Papiers bereitzustellen?
  3. Wie stellt sich der Stadtrat dazu, ähnliche Unterstützungsangebote für Sans-Papiers auch nach der Krise aufrecht zu halten?

Der Stadtrat beantwortet die Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Die Ustermer Hausärzte haben gemäss eigener Aussage keinen Kontakt mit Sans-Papiers. Das Spital Uster ist wie alle Spitäler mit einer Notfallversorgung dazu verpflichtet, Notfallbehandlungen durchzuführen auch bei Patientinnen und Patienten, welche keiner Krankenkasse angeschlossen sind. Dies wird beim Spital Uster so gehandhabt. Gemäss Auskunft des Spitals Uster handelt es sich um max. 1–2 Fälle pro Jahr. 

Die Gesundheitsversorgung für Sans-Papiers wird für den ganzen Kanton Zürich von der spezialisierten Institution «Meditrina» des Schweizerischen Roten Kreuzes in der Stadt Zürich übernommen. «Meditrina» versorgt gemäss Auskunft der Leiterin auch Personen aus der Region Uster. Die Adressen der Patientinnen und Patienten werden allerdings nicht erfasst. Diese Anlaufstelle hat sich als Hausarztpraxis für Sans-Papiers spezialisiert, die keine Krankenkasse haben. Sans-Papiers verfügen gemäss Auskunft der Sans-Papiers Anlaufstelle Zürich (SPAZ) in der Regel über keine Krankenkassenabsicherung, da sie sich eine solche finanziell nicht leisten können. Muss «Meditrina» jemanden für eine stationäre Behandlung in ein Spital überweisen, regelt die SPAZ die Krankenkassenanmeldung und damit die Kostenübernahme. Die zweite niederschwellige Anlaufstelle, welche unter anderem Sans-Papiers betreut, ist das Ambulatorium an der Kanonengasse in Zürich, welches von den Gesundheitsdiensten der Stadt Zürich betrieben wird.

Zu Frage 2: Der Stadtrat anerkennt die aussergewöhnliche Notsituation der Sans-Papiers in der Corona-Krise und befürwortet die Unterstützungsleistungen der Sozialbehörde.

Mitte April 2020 haben erste Abklärungenzur Anzahl der vom Verein SPAZ unterstützten Personen aus Uster während der aktuellen Corona-Krise stattgefunden. Gemäss deren Angaben wurden damals 9 Einzelpersonen, 10 Familien (9 Familien mit 1 Kind und 1 Familie mit 2 Kindern) und 4 Paare durch die Anlaufstelle mit finanziellen Leistungen geholfen. Die Auszahlungen dienten in erster Linie zur Deckung der Wohnungsmieten sowie für den dringendsten alltäglichen Bedarf wie Nahrung oder Medikamente.

Die Sozialbehörde hat anlässlich ihrer ordentlichen Sitzung vom 28.04.2020 von dieser Situation Kenntnis genommen und beschlossen, den Verein SPAZ einmalig und ohne Präjudiz einen finanziellen Beitrag in der Höhe von CHF 25 000.00 zu Gunsten der Sans-Papiers aus Uster zur Deckung der geleisteten Nothilfe zukommen zu lassen. Dieser Beitrag wurde aus dem Fonds der Sozialbehörde belastet. Gemäss Auskunft des Vereins SPAZ vom 03.06.2020 wurden während der Corona Zeit für Ustermer Sans-Papiers Mietkosten im Gesamtbetrag von Fr. 17'245 vergütet und diesen Lebensmittelgutscheine über Fr. 6'600 abgeben. 

Anfangs Juni 2020 hat die Anzahl Personen, die auf Unterstützung der SPAZ angewiesen waren, leicht abgenommen. Der Verein SPAZ rechnet damit, dass im Juni die Anzahl Sans-Papiers abnehmen wird, da mehrere Personen signalisiert haben, dass sie wieder ihre Arbeit aufnehmen können. SPAZ wird diejenigen, die auf Hilfe angewiesen sind, die Mieten für den Monat Juni übernehmen.

Mit einem Betrag von 5000 Franken hat die Sozialbehörde den Verein Zürcher Stadtmission auf deren Gesuch «Corona Krise: Wir helfen Menschen in Not – Helfen Sie mit?» unterstützt. In der Stadt Zürich verteilte die Stadtmission über die Beratungsstelle Isla Victoria täglich 50 Tragtaschen mit Lebensmitteln. Das Isla-Team half/hilft zudem die wegen der Corona Krise besonders in ihrer Existenz bedrohten Sexarbeitenden mit finanzieller Nothilfe und organisiert/e für diese Übernachtungen und Rückreisen. Das Gebot «Bleiben Sie zu Hause» konnten Obdachlose nicht befolgen. Das Café Yucca bot und bietet diesen einen Ort zum Sein, gab/gibt gratis Essen ab und sorgt für diese nach Bedarf für ein Dach über dem Kopf und finanzielle Überbrückung.

Auch Personen, die in der Stadt Uster wohnen, können die Dienstleistungen des Vereins in Anspruch nehmen.  Auch wenn der Sozialbehörde diese Personen und der Umfang der Unterstützungsleistungen der Zürcher Stadtmission für diese nicht bekannt sind, hat sie sich zum solidarischen Mittragen der entstandenen Kosten entschieden. 

Zu Frage 3: Unterstützungsleistungen, die sich direkt an Sans-Papiers mit Aufenthaltsort Uster richten, sind unter den aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht möglich. Die dazu notwendige Erhebung von Personen­daten seitens der Verwaltung würde ausländerrechtliche Verfahren nach sich ziehen.

Finanzielle Beiträge an Institutionen, die Sans-Papiers unterstützen, werden auch nach der Krise geprüft und bei Bedarf auch ausgerichtet, wenn entsprechende Gesuche vorliegen.

Der Stadtrat bittet den Gemeinderat, von der Antwort auf die Anfrage Nr. 583/2020 des Ratsmitglieds Florin Schütz betreffend «Sans-Papiers schützen – während und nach der Krise» Kenntnis zu nehmen.

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