Vorstösse der SP Uster im Gemeinderat

25. September 2023

Kinderarmut bekämpfen – Ergänzungsleistungen für Familien in Uster

Anfrage von Tanja Göldi, Nina Nussbaumer und Balthasar Thalmann

Kind zu sein – oder ein Kind zu haben – ist in der Schweiz das Armutsrisiko schlechthin. Gemäss Caritas Schweiz leben rund 103 000 Kinder hierzulande in Armut. Noch einmal doppelt so viele leben in prekären Lebensverhältnissen, nur knapp oberhalb der Armutsgrenze. Kinderarmut verstösst gegen geltendes Recht.

Viele Familien sind trotz Erwerbstätigkeit aufgrund ihres tiefen Einkommens von der Sozialhilfe abhängig. Die Sozialhilfe ist allerdings für das Auffangen eines strukturellen Armutsrisikos weder gedacht noch gerüstet. Um ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und eine Abhängigkeit von der Sozialhilfe zu verhindern, existiert schweizweit die Idee der Ergänzungsleistungen für Familien. Über die Einführung dieses Instruments wurde schon auf allen föderalistischen Ebenen diskutiert und in einzelnen Kantonen wird dies bereits seit längerer Zeit umgesetzt. Es hat sich gezeigt, dass mit Hilfe dieser Leistung an Familien erfolgreich Kinderarmut bekämpft werden kann.

Wir stellen dem Stadtrat folgende Fragen:

  1. Wie steht der Stadtrat grundsätzlich zu Ergänzungsleistungen für Familien?
  2. Wäre die Einführung von Ergänzungsleistungen für Familien in der Stadt Uster bzw. im Kanton Zürich denkbar? Was spricht dagegen? Was dafür?
  3. Wie viele Familien mit Kindern werden zurzeit in Uster von der Sozialhilfe ergänzend zur Erwerbseinnahme unterstützt?
  4. Gibt es Schätzungen, wie viele Familien in Uster Anspruch auf Sozialhilfe hätten, dies aber aus unterschiedlichen Gründen, wie beispielsweise aus Angst vor Stigmatisierung, wegen migrationsrechtlichen Gründen oder aus Unwissenheit, nicht beziehen?
  5. Sieht der Stadtrat andere Lösungsansätze, um Kinderarmut in Uster entgegenzuwirken?
  6. Welche Instrumente stehen dem Stadtrat zur Verfügung, um eine kantonale Diskussion zu Ergänzungsleistungen für Familien anzuregen und ist er bereit, diese zu nutzen?

 

Der Stadtrat beantwortet die Anfrage wie folgt:

zu Frage 1: Ergänzungsleistungen für Familien gehören zu den familienpolitischen Transferleistungen und sind definiert als bedarfsabhängige finanzielle Leistung der öffentlichen Hand an einkommensschwache Familien, deren Einnahmen aus Erwerbstätigkeit nicht ausreichen, um ihre Ausgaben zu decken. Die Kantone Tessin, Solothurn, Waadt und Genf haben bis heute kantonale Familienergänzungsleistungen eingeführt. Weitere Kantone erarbeiten Gesetzesvorlagen oder es sind Vorstösse hängig. Auf Bundesebene befasste sich die «Motion 20.3381 Keine Kinderarmut» sowie die «Parlamentarische Initiative 20.454 Kinderarmut bekämpfen» mit diesem Thema. Sowohl der Vorstoss wie auch die Initiative fanden keine Mehrheiten, weil die Parlamentsmitglieder unter anderem der Meinung sind, dass sich der Bund bereits stark für die Prävention von Kinderarmut einsetzt. Im Zürcher Kantonsrat ist die Parlamentarische Initiative Nr. 26/2018 zum «Gesetz über die kantonalen Ergänzungsleistungen für Familien ohne existenzsicherndes Einkommen» in der zuständigen Kommission pendent.

Der Stadtrat begrüsst die derzeit vertiefte Diskussion zu Ergänzungsleistungen für Familien auf kantonaler Ebene.

zu Frage 2: Die Einführung von Ergänzungsleistungen für Familien auf der kommunalen Ebene der Stadt Uster müsste vertieft diskutiert werden. Einerseits befindet sich eine Initiative auf kantonaler Ebene in Bearbeitung, andererseits würden nur auf die Stadt Uster bezogene Familienergänzungsleistungen eine kommunale gesetzliche Grundlage voraussetzen und finanziell ohne Kantonsbeteiligung getragen werden müssen.

zu Frage 3: Von der Sozialhilfe werden in Uster insgesamt rund 120 Familien mit 200 Kindern unterstützt. In 70 dieser Familien geht mindestens ein Elternteil einer Erwerbsarbeit nach. In diesen 70 Familien leben 120 Kinder.

zu Frage 4: Dazu gibt es leider keine Schätzungen. Bisher haben lediglich die Kantone Bern und Basel-Stadt in Zusammenarbeit mit Hochschulen und der Caritas ein detailliertes Armutsmonitoring erstellt, welches Aussagen zu sogenannten Nicht-Bezugs-Quoten enthält. Die Nicht-Bezugs-Quote bezeichnet den Anteil an Personen, die Anspruch auf Sozialhilfe hätten, diese aber nicht beantragen.

Die Abteilung Soziales prüft derzeit die Aufnahme dieses Anliegens im Projektportfolio.

zu Frage 5: Die Sozialhilfe ist ein bewährtes Instrument der wirtschaftlichen Existenzsicherung. Auch wenn der Schwerpunkt in der Sozialhilfe auf der beruflichen und sozialen Integration Erwachsener liegt, richtet sie ihr Augenmerk vermehrt auf Kinder und Jugendliche und versucht, ihr Handeln möglichst auf Chancengleichheit auszurichten. Neben den Familienergänzungsleistungen und der Sozialhilfe sind dem Stadtrat keine weiteren Lösungsansätze zur Bekämpfung der Kinderarmut bekannt. Im Bereich der Frühförderung kann aber die Chancengleichheit von Kindern verbessert werden. Auch hierzu gibt es im Kanton Bestrebungen entsprechende Bestimmungen zu erlassen.

zu Frage 6: Im Januar 2018 reichten Vertretende der SP, der Grünen und der BDP im Zürcher Kantonsparlament eine parlamentarische Initiative ein, welche die Einführung von Ergänzungsleistungen für arme Familien fordert, die trotz Erwerbstätigkeit nicht über ein existenzsicherndes Einkommen verfügen. Anfang Januar 2018 nahm das Anliegen im Kantonsrat die erste Hürde und wurde mit 72 Stimmen vorläufig unterstützt (Geschäft 26/2018). Derzeit ist das Geschäft pendent bei der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit.

Karin Fehr Thoma, Stadträtin von Uster und Kantonsratsmitglied, hat diese parlamentarische Initiative mitunterzeichnet.

Zurück