Vorstösse der SP Uster im Gemeinderat

29. Juni 2022

Fragezeichen zum Projekt Apothekerstrasse 18

Anfrage von Angelika Zarotti, Nina Nussbaumer und Marius Weder

Am 24. Mai 2022 hat der Stadtrat einen Projektierungskredit für einen Ersatzneubau auf einem Teil der städtischen Liegenschaft Apothekerstrasse 18 beschlossen. In den baufälligen, teilweise denkmalgeschützten Gebäuden befinden sich Wohnraum, ein Kinderhort sowie die Betriebsräume der Gärtnerei des benachbarten Werkheims, welches einen Grossteil des ca. 7000m2 grossen Areals bewirtschaftet.

Der Ersatzneubau ist an Stelle der früheren Scheune geplant. Damit verbunden ist laut SR-Beschluss in Rückbau aller baufälligen und nicht geschützten Nebengebäude. Damit verliert die Werkheim-Gärtnerei ihre für eine Bewirtschaftung nötigen Betriebsräume und das Gewächshaus. Im Ersatzneubau plant der Stadtrat vier Kleinwohnungen «im mittleren Segment», welche «zu stadtüblichen Marktmieten» vermietet werden sollen. Über den Baukredit will der Stadtrat 2023 entscheiden und bereits Mitte 2023 mit dem Bau beginnen. Er betrachtet das Geschäft als gebundene Ausgabe.

Im SR-Beschluss vom 24. Mai wird die Vorgeschichte mit keinem Wort erwähnt:

  • 2015 haben die Alterswohnungsgenossenschaft Rebühl (heute Sonnenbühl) und das Werkheim gemeinsam bei der Stadt eine Ideenskizze für eine «inklusive» Überbauung und Nutzung dieser ideal gelegenen Liegenschaft eingereicht («Vision Dreilindenpark»). Die Genossenschaft würde gemäss diesem Modell als Baurechtsnehmerin und Bauherrin fungieren, während das Werkheim Wohnraum nutzen sowie verschiedenste Dienstleistungen für die Bewohnenden erbringen würde.
  • Der damalige Stadtrat ist auf diese Idee materiell nicht ernsthaft eingetreten; 2016 erklärte er die Liegenschaft zur «strategischen Reserve».
  • 2019 ergab eine Studie von «zimraum» im Auftrag der Stadt, es mangle in Uster an zeitgemässen, bezahlbaren Wohnungen insbesondere für Seniorenpaare. Usters Alterswohnungsgenossenschaften berichten über lange Wartelisten.
  • Die Genossenschaft Sonnenbühl ist aktuell mit ihrem Ersatzneubau Rehbühl und einem grossen Projekt in Illnau mehr als gefordert. Sie und das Werkheim betrachten ihre Projektidee jedoch weiterhin als wegweisend; das Werkheim würde sie gerne auch mit einem anderen gemeinnützigen Partner realisieren.

Wir stellen dem Stadtrat folgende Fragen:

  1. Ist ihm die „Vision Dreilindenpark“ bekannt und wie beurteilt er sie?
  2. Das Grundstück Apothekerstrasse 18 gilt weiterhin als strategische Reserve. Kann sich der Stadtrat vorstellen, es für die Realisierung eines Projekts in der beschriebenen Art vorzusehen und öffentlich auszuschreiben?
  3. Hat der Stadtrat dem Werkheim alternative Areale und Betriebsräume angeboten? Welche Möglichkeiten sieht er?
  4. Weshalb plant der Stadtrat an dieser für Seniorinnen und Senioren idealen Lage trotz der Erkenntnisse der oben erwähnten Studie Kleinwohnungen ausgerechnet „im mittleren Segment“? Laut der «Immobilienstrategie» des Stadtrats sollen Grundstücke im Finanzvermögen eine «angemessene Rendite» erzielen. Das ist zwar ein dehnbarer Begriff, aber sicher etwas anderes als die oft überrissenen Marktmieten. Warum will sich der Stadtrat nun trotzdem an solchen orientieren?

Der Stadtrat beantwortet die Anfrage wie folgt:

Einleitung

Die städtische Parzelle Nr. B6706 in der Kernzone K3/4 in Kirchuster gelegen, ist angebunden an die Gesamtanlage des Friedhofs. Das Grundstück ist nur zu ca. 10 Prozent überbaut und hat daher im Südwesten eine freie Umgebungsfläche von ca. 6300 m2.

Das im Jahre 1830 gebaute Gebäude «Apothekerstrasse 18» wurde in der Vergangenheit verschiedentlich umgebaut, erweitert und auch umgenutzt. Sie beinhaltet aktuell zwei 3-Zimmer- und eine 4-Zimmerwohnung, die Kinderkrippe «Chinderkram», die Gärtnerei des Werkheims Uster und verschiedene Lager.

Die «Apothekerstrasse 18» ist in einem sanierungsbedürftigen Zustand, die Gebäudehülle ist ungedämmt. Mit Beschluss Nr. 505 vom 13. September 2016 genehmigte der Stadtrat für das Projekt «Apothekerstrasse 18» – für die SIA-Phasen 3 (Projektierung) bis 41 (Ausschreibung) – einen Projektierungskredit von 195 000 Franken inkl. MWST.

Zu Beginn der Projektierung stellte sich heraus, dass eine Sanierung des ehemaligen Scheunenteils der Liegenschaft mit den drei bestehenden Wohnungen, wirtschaftlich und bautechnisch nicht sinnvoll ist. Mit Beschluss Nr. 197 vom 12. Juni 2018 genehmigte der Stadtrat einen Abbruch der ehemaligen Scheune, zu Gunsten eines Ersatzneubaus inkl. Kellergeschoss. Im Sinne einer Gesamtbetrachtung sollte zudem das umliegende Gebiet in die Projektierung miteinbezogen werden, damit durch heutige Investitionen keine baulichen Blockaden in der Zukunft geschaffen werden.

Daraufhin wurde eine Schutzabklärung des Inventarobjektes «Apothekerstrasse 18» in Auftrag gegeben. Diese ergab, dass der Scheunenteil substantiell nicht schutzwürdig ist, jedoch die Gebäudestruktur des Wohnteils historische Bedeutung hat. Der Ersatzbau für den Scheunenteil muss jedoch auf die ursprünglichen Gebäudemasse zurückgenommen werden. Ebenso sind die eingeschossigen Nebenbauten (Anbauten des Werkheims Uster) vom Schutzumfang zu befreien, d.h. müssen abgebrochen werden. Ferner wird die dem Bau umgebende Grünfläche als schützenswert erwähnt, weshalb hier gemäss heutiger Annahme eine Parkanlage für die Bevölkerung erstellt werden soll. Die andere Teilfläche gegen Westen und Nordwesten dient als Baulandreserve. Hier ist am ehesten ein bauliches Entwicklungspotenzial vorhanden.

zu Frage 1: Mit Schreiben vom 7. Juli 2015 wurde der Stadtrat betreffend Vision «Dreilindenpark» durch die Stiftung Werkheim Uster und die Genossenschaft Rehbühl informiert. Der Stadtrat beantwortete ihre Anfrage mit Schreiben vom 23. September 2015 wie folgt:

Das dokumentierte Konzept «Dreilindenpark» sei ein interessanter Ansatz für eine mögliche zukünftige Nutzung. Offene Fragen bestünden jedoch bezüglich der Zukunft der heute bestehenden Nutzung im Gebäude an der Apothekerstrasse 18 (u.a. das Werkheim Uster und die Kinderkrippe «Chinderkram»). Weiter informierte der Stadtrat im Schreiben, dass er bald einen Grundsatzentscheid über das zukünftige Entwicklungspotential dieser städtischen Parzelle fällen würde, insbesondere ob die überbaute städtische Parzelle B6706 öffentlich im Baurecht ausgeschrieben werden soll. Der Grundsatzentscheid erfolgte dann mit Beschluss Nr. 96 vom 9. Februar 2016.

zu Frage 2: Mit Beschluss Nr. 96 vom 9. Februar 2016 entschied der Stadtrat, dass die Parzelle Nr. B6706, inkl. Liegenschaft an der Apothekerstrasse 18 – insbesondere aufgrund ihrer zentralen Lage – weiterhin als «strategisch» bezeichnet wird und damit kein Verkauf erfolgen soll. Auch soll das Land nicht im Baurecht abgegeben, sondern als Reserve für den Eigenbedarf (z.B. als öffentliche Nutzung) gebraucht werden. Durch eine Abgabe im Baurecht würde nämlich das gesamte städtische Grundstück während Jahrzehnten für eine allfällige öffentliche Nutzung wegfallen.

zu Frage 3: Da die Gärtnerei des Werkheims Uster durch den Abbruch aller gewachsenen Anbauten, wie Laden, Holzunterstände und Schopfe, von der Sanierung stark betroffen ist, wurde bereits im 2015 zusammen nach einer Lösung gesucht. Der gesamte Ersatzneubau hätte dem Werkheim Uster zur Miete zur Verfügung gestanden (inkl. Nebenräume und Verkehrsfläche). Im Vorprojekt von 2017 wurden darum auch Studios nach Vorgaben des Werkheims Uster geplant. In einer gemeinsam verfassten Planungsvereinbarung wurden der Raumbedarf und die Mindestmietdauer festgelegt. Nach fast einjährigen Verhandlungen scheiterte die Vertragsunterzeichnung der Planungsvereinbarung. Das Werkheim Uster bevorzugte anstelle einer Miete, eine Abgabe der Liegenschaft im Baurecht, was aus oben erwähnten strategischen Gründen nicht möglich war. Die Vorprojektphase musste daraufhin abgebrochen und neu, ohne Werkheim Uster, wieder aufgestartet werden.

Im aktuellen Projekt resultiert eine ebenerdige Gewerbefläche von ca. 100 m2. Dies entspricht der Hälfte der dem Werkheim Uster heute zur Verfügung stehenden Mietfläche. Es ist vorgesehen, dass diese nach Fertigstellung im Edelrohbau öffentlich zur Vermietung ausgeschrieben wird.

Aktuell finden zusammen mit dem Stadtplaner, der Denkmalpflege und dem Werkheim Uster weitere Abklärungen betreffend Vermietung der zur Verfügung stehenden Umgebungs- und Bebauungsfläche statt.

zu Frage 4: Die Immobilienstrategie der Stadt Uster definiert den Umgang mit allen städtischen Grundstücken. Die Liegenschaft «Apothekerstrasse 18» ist dem Finanzvermögen zugeteilt. Die Stadt Uster muss mit diesen Grundstücken eine angemessene Rendite erwirtschaften, d.h. die Mieten sollen die Aufwendungen aus Personal- und Sachaufwand, kalkulatorischen Zinsen, betriebsnotwendigen Abschreibungen und Unterhalt übersteigen. Die zukünftigen Mieten werden sich nach dieser Vorgabe richten. Die Flächen werden öffentlich zur Vermietung ausgeschrieben.

Die zukünftigen Mieter (alt oder jung) der vier Kleinwohnungen stehen noch nicht fest. Klar ist aber, dass diese neu erstellten Wohnungen zu einem Mietpreis im mittleren Segment vermietet werden sollen. Es wird also weder Luxuswohnungen noch – durch die Steuerzahlenden finanzierte – verbilligte Wohnungen geben, sondern Wohnungen, die sich der Mittelstand leisten kann und die gleichzeitig die Neubaukosten der Stadt Uster angemessen decken.

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